Denkwürdige Eberbeiträge mit Sarina

von Oliver H. Herde

23.4.96 (Erster Auftritt und anlässlich des gerade im Eber tobenden Chaos)

Von allen bisher unbemerkt steht eine kräftige Gestalt im Eingang zur Küche und beobachtet schweigend das Chaos. Wen soll sie am Schlafittchen packen und zur Türe hinauswerfen?

25.8.11 (anlässlich des Todes von Loriot)

Irgendwie klingt das für Sarina nach konzentrierter Beinhaltung. "Mag sein", erwidert die Köchin daher etwas geistesabwesend. Hinzu gesellt sich noch der Umstand, dass gerade eine Steinlaus ihren Herd entlangläuft. Diese möchte sie nicht gern einfach mit irgend etwas totschlagen, da die Gattung wie man hört vom Aussterben bedroht ist. So nimmt sie den praktischen Familienbenutzer aus dem Regal. Mit diesem ist es ihr ein leichtes, die Steinlaus unbeschadet einzufangen.
"Wir werden es ja vielleicht noch erfahren, wenn sie alle wieder herabkommen." Die Worte sind an die Magd gerichtet, der Blick jedoch begleitet das possierliche Tierchen, wie es in vollendeter Sanftheit zum Fenster hinausgeworfen wird. Eine Hausfrau hat das eben im Gefühl.

8. und 9.10.25 (30 Jahre Köchin im Eber)

So sehr sie auch Gemüse putzt oder in ihren Töpfen und Schüsseln rührt, will Sarina das Bild des fröhlichen kleinen Mädchens nicht mehr aus dem Haupte weichen. Selbst nicht Mutter geworden zu sein, bedeutet ihr ein bedrückendes Versäumnis, welches sie mit zunehmendem Alter immer mehr bereut und bedauert. Beinahe kommt sie sich unvollständig vor, wenn sie Kinder sieht oder nur daran denkt.
Es ist zu spät. Mit großen Schritten nähert sie sich der Sechzig, und es stehen nicht mehr viele aus.
Was hat sie nur falsch begonnen? Vermutlich vieles. Ein langes Leben bietet reichlich Gelegenheiten. Jene erste in Gestalt des Sohnes der Herrschaft wurde allzu rasch und rüde verstellt, unerreichbar für eine junge Magd.
Dann als Küchenhilfe und baldige Köchin in der Garnison hätte es manch interessierten Burschen gegeben. Jedoch konnte deren plumpe Herangehensweise nur zu blauen Fingern führen, wenn sie sich mit Kellenhieben ihrer erwehrte.
Wie anders dagegen Rudeblad! Womöglich bedeutete es die größte Dummheit ihres Lebens, ihn zurückzuweisen - aber sie kannten sich schließlich überhaupt nicht! Andererseits wäre das gewiss zu ändern gewesen. Was aber glaubte er damals nur, in ihr zu entdecken?
Vorbei, vertan. Sie steht weiter in der Küche - nicht erst seit 30 Jahren, dies lediglich hier im Eber. Eine andere Art, traviagefälliger Pflichterfüllung.
Blinzelnd wieder die Gegenwart wahrnehmend, bemerkt Sarina ihren kleinen Irrtum: Sie steht gar nicht mehr, sondern sitzt am Küchentische und hat vermutlich ziemlich dumm in die Gegen geglotzt. Etwas, womit sich eingedenk solcher Erkenntnis nicht so leicht aufhören lässt.


Ausschnittliste / Der historische Grüne Eber

Redaktion und Lektorat: OHH 2025